+++ Nachrichten im Nahostkrieg +++: Sicherheitsrat fordert Waffenruhe

Monatelang war der Weltsicherheitsrat in der Frage einer Waffenruhe im Gaza-Krieg gespalten. Doch nun ändern die USA trotz Drohungen aus Israel ihren Kurs.

Mitglieder des UN-Sicherheitsrats

Kein Nein: US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield im Sicherheitsrat Foto: Craig Ruttle/AP

Netanjahu sagt Reise von Delegation in die USA ab

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat nach dem Votum des UN-Sicherheitsrats für eine Waffenruhe im Gazastreifen die Reise einer israelischen Delegation nach Washington abgesagt. Die USA hatten bei der Abstimmung am Montag im Sicherheitsrat auf ihr Vetorecht verzichtet und sich enthalten.

Netanjahu kritisierte, die USA seien dabei von ihrer „prinzipeinfesten Haltung“ abgewichen, weil sie die Freilassung der von der Palästinenserorganisation Hamas entführten israelischen Geiseln nicht zur Bedingung einer Waffenruhe gemacht hätten.

Die israelische Delegation sollte Vertretern des Weißen Hauses Pläne für eine erwartete Bodeninvasion in der strategisch wichtigen Stadt Rafah im Gazastreifen vorlegen, in der mehr als eine Million palästinensische Zivilisten Schutz vor dem Krieg gesucht haben. (ap)

USA lassen Resolution passieren

Fast sechs Monate nach Kriegsbeginn hat der Weltsicherheitsrat erstmals eine „sofortige Waffenruhe“ im Gazastreifen gefordert. Zudem verlangt das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen die umgehende und bedingungslose Freilassung aller von der islamistischen Hamas festgehaltenen Geiseln. Die Vetomacht USA enthielt sich bei der Abstimmung am Montag und ermöglichte damit die Annahme der Resolution.

Die 14 übrigen Mitglieder des Gremiums stimmten dafür. Durch den völkerrechtlich bindenden Beschluss steigt der internationale Druck auf die Konfliktparteien Israel und die Hamas weiter. Es ist jedoch fraglich, ob oder inwieweit die Resolution Einfluss auf Entscheidungen der israelischen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu oder der Hamas zum weiteren Kriegsverlauf haben wird.

Netanjahu drohte unmittelbar vor der Abstimmung bereits damit, dass er die geplante Reise zweier seiner Abgesandten nach Washington kurzfristig absagen werde, sollten die USA ihre Vetomacht nicht nutzen, um die Resolution zu verhindern. Nun hat er die Reise abgesagt.

Bemühungen um eine Forderung des Weltsicherheitsrats nach einer Waffenruhe waren bislang vor allem am Widerstand der Vetomacht USA gescheitert. Seit Kriegsbeginn im Oktober vergangenen Jahres hatte Washington sich als engster Verbündeter Israels gegen eine Waffenruhe gewandt und drei Vetos gegen entsprechende Resolutionen eingesetzt. Allenfalls forderten US-Vertreter kürzere „Feuerpausen“.

Angesichts der steigenden Zahl ziviler Opfer und einer drohenden Hungersnot in Teilen des abgeriegelten Küstenstreifens verstärkten die USA zuletzt aber den Druck auf Israel. Auch US-Präsident Joe Biden äußerte sich zunehmend kritisch, etwa mit Blick auf die von Israel geplante Bodenoffensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens.

Dort haben Hunderttausende Binnenflüchtlinge Schutz vor den Kämpfen gesucht. Am Freitag vollzog Washington die Kehrtwende und forderte in einer Resolution erstmals „eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe“ im Gaza-Krieg. Doch Russland und China legten ihr Veto ein. Die Beschlussvorlage ging Moskau und Peking nicht weit genug – in ihren Augen war der Text unter anderem zu proisraelisch und stellenweise nicht ausreichend verbindlich.

Der nun angenommene knappe Resolutionstext konzentriert sich auf die Forderung nach „einer von allen Seiten respektierten sofortigen Waffenruhe für den (islamischen Fastenmonat) Ramadan“. Dies solle zu einer „dauerhaften und nachhaltigen Waffenruhe“ führen, hieß es in dem Text. Zudem fordert die Beschlussvorlage die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln und betonte die „große Sorge angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen“. Die Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung müssten ausgebaut werden.

Die Resolution war von nichtständigen Mitgliedern des UN-Gremiums eingebracht worden. Eine erste geplante Abstimmung am Samstag dazu war kurzfristig verschoben worden, um mehr Zeit für Verhandlungen zu gewinnen. Ein Diplomat erklärte vorab, insbesondere mit den USA sei intensiv verhandelt worden.

Eine Resolution im Weltsicherheitsrat braucht die Stimmen von mindestens 9 der 15 Mitgliedsstaaten. Zudem darf es kein Veto der ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich oder Großbritannien geben. Beschlüsse des Sicherheitsrats sind völkerrechtlich bindend. Wenn ein betroffener Staat sie ignoriert, kann das Gremium Sanktionen verhängen – was im Falle Israels wegen der Vetomacht der USA nicht als wahrscheinlich gesehen wird.

Der Ramadan hatte um den 10. März begonnen. Hoffnungen, es könne bis zum Beginn des Fastenmonats ein Abkommen der Konfliktparteien zu einer Feuerpause und der weiteren Freilassung von Geiseln geben, erfüllten sich nicht.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. (dpa, ap)

Baerbock an Israel: Großoffensive auf Rafah darf es nicht geben

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat Israel eindringlich zu einem Verzicht auf die geplante Bodenoffensive gegen die islamistische Hamas in Rafah im südlichen Gazastreifen aufgerufen. „Eine Großoffensive auf Rafah darf es nicht geben“, warnte die Grünen-Politikerin am Montag in Kairo nach einem Treffen mit ihrem ägyptischen Kollegen Samih Schukri. In einem Statement auf dem Flughafen von Kairo warnte Baerbock vor dem Abflug nach Israel angesichts der dramatischen humanitären Lage in Gaza: „Menschen können sich nicht in Luft auflösen.“

Am Dienstagvormittag war bei Baerbocks sechstem Besuch in Israel seit dem Terrorangriff der Hamas auf das Land vom 7. Oktober ein Treffen mit ihrem israelischen Kollegen Israel Katz in Jerusalem geplant. Offen war, in welcher Atmosphäre das Gespräch von Baerbock mit Katz stattfinden wird.

Nachdem die Bundesaußenministerin Israel und die Hamas am Vortag auf X (früher Twitter) zu einer sofortigen humanitären Feuerpause aufgerufen hatte, die zu einem Waffenstillstand führen solle, entgegnete Katz auf X: „Wir erwarten von unseren Freunden, dass sie Israel in diesen herausfordernden Zeiten weiterhin unterstützen und es nicht gegen die Terrororganisation Hamas schwächen.“ Ein humanitärer Waffenstillstand könne ohne die Freilassung israelischer Geiseln nicht aufrechterhalten werden. Der Minister fügte hinzu: „Wir müssen weiterhin zusammenarbeiten, um die humanitäre Hilfe für Gaza zu erhöhen.“

In Rafah im südlichen Teil des Gazastreifens suchen Schätzungen zufolge 1,5 Millionen der 2,2 Millionen der Küstenregion auf engstem Raum Schutz vor den Kämpfen in den anderen Teilen Gazas. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zufolge hat die Armee Pläne ausgearbeitet, um die Zivilisten in Sicherheit zu bringen.

Die Bundesaußenministerin unterstrich in Kairo, Hilfslieferungen aus der Luft und über das Meer könnten nur einen geringen Beitrag zur Versorgung der Menschen in Gaza leisten. „Was wir brauchen, ist die Öffnung des Landweges.“ Es gebe hier eine Verantwortung der israelischen Regierung, Zugang zu Nahrung und Wasser sowie sichere Fluchtorte zu garantieren. Baerbock hielt Israel vor, nicht stark genug zwischen militärischen und zivilen Zielen zu unterscheiden. Dies wie auch die humanitäre Situation förderten den Terror im Gazastreifen weiter. „Es wird keine Geisel befreien, wenn Kinder in Gaza derzeit verhungern“, sagte sie an die israelische Regierung gewandt.

Die Ministerin plädierte dafür, das Leid auf beiden Seiten zu sehen und es nicht gegeneinander auszuspielen. „Wir müssen alles dafür tun, dass die furchtbare Situation für die Menschen in Gaza endlich aufhört. Und wir müssen alles dafür tun, dass die Familien, die seit über fünf Monaten auf ihre Liebsten, auf ihre Töchter, Söhne, Eltern warten, dass diese Menschen endlich nach Hause kommen und die Bedrohung Israels von der Terrororganisation Hamas aus ein Ende hat.“

Insgesamt werden noch mehr als 130 Geiseln im Gazastreifen festgehalten. Davon sind vermutlich nur noch etwa hundert am Leben. Wie viele Deutsche unter den Geiseln sind, ist unklar. Im November waren unter anderem 14 deutsche Staatsbürger zusammen mit anderen Geiseln freigelassen worden.

Am Montagabend stand für die Bundesaußenministerin ein Besuch der Palästinensischen Gebiete auf dem Programm. In Ramallah wollte Baerbock mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und Außenminister Riad Malki sprechen.

Abbas hatte die Hamas Mitte Februar einem Medienbericht zufolge aufgefordert, rasch ein Geisel-Abkommen mit Israel zu schließen. Die Islamistenorganisation solle einem solchen Deal zustimmen, um das palästinensische Volk zu schützen und einen israelischen Angriff auf die Stadt Rafah zu verhindern. Den Menschen müsse eine weitere Katastrophe erspart werden. Ein Angriff auf Rafah werde zu Tausenden Opfern, Leid und Vertreibung führen.

Baerbock hatte zum Auftakt ihrer Reise angekündigt, es werde erneut auch darum gehen, wie ein politischer Horizont nach dem Ende des Gaza-Kriegs aussehen könne. „Nur die Perspektive auf eine Zweistaatenlösung mit einer reformierten Palästinensischen Autonomiebehörde als ersten Schritt in Richtung eines demokratischen palästinensischen Staates kann den Menschen ein Leben in Sicherheit und Würde bieten“, forderte sie. Mit Zweistaatenlösung ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Netanjahu lehnt eine Zweistaatenlösung ebenso wie die Palästinenserorganisation Hamas ab. (dpa)

Israelische Vorstöße gegen drei Krankenhäuser

Im Gazastreifen setzt Israel seine Angriffe auf Krankenhäuser fort. In Gaza-Stadt führe das Militär neue „präzise“ Einsätze im Al-Schifa-Krankenhaus-Komplex aus, teilte die Armee am Montag mit. Die Soldaten würden dabei Verletzungen von Zivilisten, Patienten und medizinischem Personal sowie Beschädigungen der medizinischen Einrichtungen vermeiden. Über 500 Mitglieder der radikal-islamischen Organisationen Hamas und Islamischer Dschihad seien seit Beginn der Vorstöße gegen das Al-Schifa-Krankenhaus vor einer Woche festgenommen worden. Das Gesundheitsministerium im Gazastreifen erklärte, Hunderte von Patienten und medizinischem Personal würden in der Anlage festgehalten.

Fortgesetzt wurden auch die am Sonntag gestarteten Vorstöße gegen die Krankenhäuser Al-Amal und Nasser in der südlichen Stadt Chan Junis. Dort seien 20 „Terroristen“ ausgeschaltet worden. Reuters konnte die Angaben nicht überprüfen. Israel wirft der Hamas vor, Krankenhäuser als Stützpunkte und Waffenlager zu missbrauchen. Die Hamas und das Klinikpersonal bestreiten dies.

Palästinensische Mediziner teilten mit, in der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten seien in den vergangenen 24 Stunden 30 Menschen durch israelische Angriffe getötet worden. „Bei jedem Bombenangriff in Rafah befürchten wir, dass die Panzer kommen werden.

Die letzten 24 Stunden waren einer der schlimmsten Tage, seit wir nach Rafah gezogen sind“, sagte Abu Khaled, ein Vater von sieben Kindern, der aus Angst vor Repressalien seinen vollen Namen nicht nennen wollte. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beharrt auf eine Offensive gegen Rafah, wo das Militär viele Hamas-Kämpfer und Führungsfiguren vermutet. UN und westliche Staaten warnen vor einer humanitären Katastrophe, sollte Israel einen Bodenangriff starten.

Unterdessen kommen die von internationalen Vermittlern unterstützten Verhandlungen über eine Feuerpause zwischen Israel und Hamas nicht voran. Die Extremistenorganisation pocht nach wie vor darauf, dass mit einem Abkommen der Krieg beendet wird und die israelischen Streitkräfte abziehen. Israel beharrt auf der vollständigen Vernichtung der Hamas als Kriegsziel. Laut UN-Chef Antonio Guterres wächst der internationale Druck auf Israel, einer Feuerpause zuzustimmen. (rtr)

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