Wiens erste Klimabiennale: Kunst wie aus dem Lehrbuch

Relevante Fragen für den Kulturbetrieb behandelt die erste Klima Biennale Wien. Doch ist es gut, dass sie angewandte mit der freien Kunst verwechselt?

Exponate auf der Klima Biennale 2024 in Wien

Pilzartige Installationen der spanischen Künstlerin Eva Fàbregas in der Ausstellung auf dem Festivalareal der Klima Biennale Wien Foto: Joanna Pianka

Wien hat jetzt eine Klimabiennale. Sie bietet 100 Tage Programm: Workshops, Konferenzen, Communityprojekte, Ausstellungen bis Mitte Juli, auch ein Aktivismuscamp ist dabei. Finanziell unterstützt wird sie mit über 1,5 Millionen Euro von drei Ressorts der Stadt Wien. Die möchte sich mit dem Festival nach eigenem Bekunden als „Vorreiterin“ positionieren, wenn es darum geht, den ökologischen Herausforderungen unserer Tage auch im Kulturbereich zu begegnen.

Die Klima Biennale Wien stellt die relevante Forderung, der Kulturbetrieb solle, wie andere Bereiche der Gesellschaft auch, klimabewusst agieren. Die beiden Programmverantwortlichen, die aus Hamburg nach Wien berufenen Sithara Pathirana und Claudius Schulze, arbeiten sich dann an ganz praktischen Fragestellungen ab: Wie kann ein Kulturfestival wenig Abfall produzieren, wie können Materialien wiederverwendet werden, wie Teilnehmende möglichst ohne Restriktionen umweltschonend arbeiten und konsumieren? Man erfährt von Möbeln aus Müll, von den richtigen Holzzuschnitten für eine Kreislaufwirtschaft, von Lösungen aus Architektur, Design und Wissenschaft.

Doch etwas schlägt schräg auf in Wien. Denn die Klima Biennale will diese Themen der angewandten Künste mit der freien Kunst verbinden. Von etablierten Häusern wie dem Belvedere 21 bis zu unabhängigen Projekträumen hat sich für das Festival ein großes Netzwerk aus Ausstellungshäusern zusammengetan, interessante Künst­le­r:in­nen listen sie: die österreichische Bildhauerin Angelika Loderer, den von den Bahamas kommenden Farbfeldmaler Dominique Knowles, die US-amerikanische Altmeisterin Joan Jonas, um nur einige der vielen Namen zu nennen.

Klima Biennale Wien, bis 14. Juliwww.biennale.wien

Nun kann man als von der Stadt Wien eingeladene Journalistin ansetzen und beschreiben, was für beeindruckende Ausstellungen man da sieht, wie sehr die Kunst darin die heutige Bedrohung der Umwelt und Natur erfahrbar macht – wenn man etwa auf Antje ­Majewskis Malereien von Totholz in brandenburgischen Wäldern schaut, auf denen sich Pilze und Moose zu wundersamen Mustern formieren, oder wenn die Künstlergruppe Cooking ­Sections von einem rotierenden Lautsprecher aus einen Lachs zu Wort kommen lässt, der einen in den gleichen beengten Bewegungsradius nötigt, wie der Fisch ihn ein Leben lang im industriellen Fischereigewässer hat.

Aber schaut man sich diese freie Kunst nun als Be­su­che­r:in der Klima Biennale an, so scheint sie arg wie in ein Lehrbuch gezwängt. Denn offenbar erfüllt die Kunst hier eine klare Funktion. Sie baut in all den Ausstellungen das bedrohliche Szenario von einem ökologischen Missstand in der Welt auf. Und dieses Szenario braucht es anscheinend, um so ein öffentlich gefördertes Kulturprojekt wie die Klima ­Biennale zu legitimieren. Man kann sagen, die freie Kunst wird hier instrumentalisiert, auch für das Stadtmarketing von Wien. Der Weg zur Auftragskunst ist nicht sehr weit.

Derzeit wird viel über politische Einflussnahme auf die Kunst debattiert. Am Donnerstag noch übergab die Initiative #standwithdocumenta eine Petition an den Aufsichtsrat der documenta gGmbH, um sich gegen die Einführung von Verhaltensregeln für die zukünftigen künstlerischen Lei­te­r:in­nen der documenta zu stellen. Es heißt, „Codes of Conduct“ würden die Kunstfreiheit einschränken. Vielleicht sollte man mit Kritik woanders ansetzen, nämlich an einem derzeitigen Verständnis von freier Kunst, die einer politischen Agenda dienen solle.

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