UN-Resolution zu Nahost: Deplatzierte Empörung

Die UN-Resolution für einen sofortigen Waffenstillstand wird wenig ausrichten. Denn Netanjahu bleibt auf Konfrontationskurs mit den USA.

Israels Regierungschef Netanjahu vor israelischer und US-Flagge

Lässt sich von niemandem Vorschriften machenn: Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu Foto: Miriam Alster/ap

Die israelische Regierung hätte kaum trotziger auf die am Montag von den USA genehmigte Forderung des UN-Sicherheitsrates nach einer Waffenruhe im Gazastreifen reagieren können. Prompt sagte Regierungschef Benjamin Netanjahu eine Delegation ab, die sich in Washington zum weiteren Vorgehen in Rafah beraten sollte. Zuhause in Israel mag er diese jüngste Konfrontation mit dem wichtigsten Verbündeten als Zeichen der Stärke verkaufen.

Doch die Empörung wirkt nach der Serie von Auseinandersetzungen mit den USA in den vergangenen Wochen nicht nur deplatziert, sie gefährdet Israel zunehmend, indem sie das Land immer weiter in die internationale Isolation führt. Seit Wochen ignoriert Netanjahu die zunehmend dringenden Wünsche aus Washington und lässt US-Präsident Joe Biden immer wieder auflaufen.

Seitens der israelischen Regierung mag man die UN-Resolution nun kleinreden: Die Vereinten Nationen seien ohnehin seit langem anti-israelisch eingestellt und die Resolution nicht an Sanktionen gebunden. Fakt ist jedoch: Eine UN-Resolution ist bindend für alle Mitgliedstaaten. Israel würde sich durch eine Missachtung ins diplomatische Abseits stellen. Das ist kurzsichtig und schadet letztlich Israels Sicherheit, denn die beruht nicht nur auf militärischer Stärke. Israel braucht Verbündete und internationale Akzeptanz.

Dass es die Hamas war, die am 7. Oktober Israel überfallen, Zivilisten ermordet, Frauen vergewaltigt und Kinder und alte Menschen nach Gaza entführt hat, spielt in der weltweiten Wahrnehmung des Krieges angesichts der beispiellosen Zerstörung, des Todes und des Leids in Gaza für viele kaum noch eine Rolle. Im Norden des Küstenstreifens herrscht nach Angaben internationaler Organisationen unter rund 300.000 Menschen eine Hungersnot, während in Israel nur wenige Kilometer entfernt Hilfskonvois warten.

Das Land hat sein Recht auf Selbstverteidigung in den Augen vieler Menschen weltweit überschritten. Dass die USA am Montag nicht von ihrem Vetorecht Gebrauch machten und selbst die US-Vizepräsidentin Kamala Harris mit Blick auf die Konsequenzen einer Rafah-Offensive sagt: „Ich schließe nichts aus“ zeigt, wie abgekühlt die Beziehungen zu Washington sind und was für Israel auf dem Spiel stehen könnte: Die gewaltigen Waffenlieferungen, ohne die es diesen Krieg kaum führen könnte.

Netanjahu mag mit der Zustimmung vieler Menschen in Israel handeln, die von den brutalen Massakern der Hamas ins Mark getroffen wurden. Doch mit seinen Reden vom „absoluten Sieg“ über die Hamas hilft er den Israelis, von denen viele taumeln zwischen extremem Nationalismus einerseits und der Angst, an keinem Ort mehr sicher sein zu können, andererseits, nur scheinbar.

Die jüngst wieder aufflammenden Kämpfe im Norden des Gazastreifens zeigen, dass auch eine Invasion in Rafah kaum einen dauerhaften Guerillakrieg gegen die Hamas verhindern dürfte. Zudem scheint auch weiterhin keine Lösung gefunden, wie der Ministerpräsident sein Versprechen, die Zivilbevölkerung in Rafah im Falle eines Angriffes zu schützen, umsetzen könnte. Was es braucht ist ein Kurswechsel, wie vom Sicherheitsrat vorgeschlagen: Die Freilassung aller Geiseln und einen Waffenstillstand.

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berichtet für die taz aus Israel und den palästinensischen Gebieten. Geboren 1989. Er hat Politik- und Sozialwissenschaften in Jena, Dresden und Kairo studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert. Ernst Cramer & Teddy Kollek-Fellow.

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